Die Kontinuitäten eines „antiimperialistischen“ Antisemitismus | Von Moskau nach Beirut | #SupportIsrael
Von Moskau nach Beirut
1983 veröffentlichte Léon Poliakov seine Schrift „Von Moskau nach Beirut“, worin er Kontinuitäten eines „antiimperialistischen“ Antisemitismus anlässlich der Reaktionen auf den Einmarsch der israelischen Armee in den Libanon thematisierte. Auch wenn der Anlass und der Inhalt über die Jahre überholt sind, so finden sich darin doch heute noch relevante Aspekte für die Einschätzung der israelfeindlichen Agitation im Nahost-Konflikt. Im ça-ira-Verlag erschien nun eine deutsche Übersetzung.
Von Armin Pfahl-Traughber
Nachdem die israelische Armee im Juni 1982 in den Libanon einmarschiert war, kam es in der medialen Berichterstattung nicht nur in Deutschland zu scharfen Verurteilungen. Dabei ließ sich gelegentlich eine sehr einseitige Informationsverarbeitung wahrnehmen, wurden doch etwa sehr hohe Opferzahlen von palästinensischer Seite ungeprüft übernommen. Begründbaren Einwänden standen auch pauschale Zerrbilder gegenüber. Das dabei auszumachende negative Israel-Bild schlug mitunter auch in antisemitische Stereotype um. Ein diesbezüglicher Paradigmenwechsel deutete sich bereits in der damaligen Zeit an. Derartige Einsichten motivierten den autodidaktischen Historiker Léon Poliakov, Autor der bekannten mehrbändigen „Geschichte des Antisemitismus“, zu einem gesonderten publizistischen Statement. Gemeint ist sein 1983 erschienenes Buch „Von Moskau nach Beirut“, das fast vierzig Jahre später auch in deutscher Übersetzung vorliegt. Darin wollte er die für die Kampagnen relevanten Wurzeln aufarbeiten.
Gleich zu Beginn geht es mit definitorischen Reflexionen darum, die für den Antisemitismus bedeutsame ideengeschichtliche Entwicklung nachzuzeichnen. Meist werden dabei allgemein bekannte Informationen von Poliakov vorgetragen, mitunter weist er aber auch auf Besonderheiten anhand von Fallbeispielen hin. Dazu gehört etwa eine Aussage von Karl Barth, dem bekannten protestantischen Theologen (vgl. S. 52). Und danach geht es ausführlicher um die sowjetische Propaganda gegen den „Zionismus“. Während zu Beginn der bolschewistischen Herrschaft die Juden noch besser als zuvor behandelt wurden, fand ein latenter Antisemitismus fortan immer größere Relevanz in der Sowjetunion. Deutlich zeigen dies dokumentierte Karikaturen in dortigen Medien wie etwa der „Prawda“, worin ganz offen eine Gleichsetzung von Israel mit dem Nationalsozialsozialismus propagiert wurde. Auch die Fernwirkung auf das damalige Frankreich und seine noch starke Kommunistische Partei ist dann bei Poliakov ein wichtiges Thema.
Danach fällt der Blick auf die antisemitische Propaganda in der arabischen Welt, wo mit antiimperialistischem Gestus derartige Hetze gegen den israelischen Staat fortgesetzt wurde. Hier finden sich gelegentlich kleinere Schiefen: So gab es in Ägypten durchaus schon vor 1955 antisemitische Propaganda (vgl. S. 109). Bekanntlich erklärte Nasser bereits 1950 die „Protokolle der Weisen von Zion“ für echt. Aber dies tangiert nicht die Angemessenheit der Kernaussagen von Poliakov, der in diesem Kapitel auch auf personelle Kontinuitäten mit dem Nationalsozialismus verweist. Und danach blickt der Autor auf die Entfesselung israelfeindlicher Ressentiments, welche nach dem Sechstagekrieg eben als Wendepunkt einsetzte. Auch die Generation von 1968 ist noch ein besonderes Thema, hier mit Bezug auf Frankreich, aber auch auf andere Länder. Insbesondere die Auffassungen von Linken gegenüber dem palästinensischen Terrorismus sind dabei ein Thema, einschließlich einer gewissen Lernbereitschaft, die ebendort später auszumachen war.
Bei all diesen Ausführungen ignorierte der Autor nicht die palästinensische Seite. Deutlich heißt es: „Es ist eine Tatsache, dass dem palästinensischen Volk höchstes Unrecht zugefügt wurde und dass das ungeklärte Schicksal der Palästinenser dramatisch ist.“ Die ihnen aber auch gezeigte Anteilnahme von vielen Seiten verwundere aber schon: „Eine derartige ‚Fürsorge‘ erfuhren weder die Kurden, die Afghanen, noch die letzten Stämme im Amazonas – nicht einmal die Kambodschaner“ (S. 34). Ähnlich verhält es sich bis in die Gegenwart, was berechtigte Rückfragen auslösen kann. Im Anhang des Bandes findet sich auch ein seinerzeitiges Nachwort von Rudolf Pfisterer, der auf die damalige deutsche Situation einging und ebenfalls auf ein heute noch relevantes Spezifikum hinwies: Jede Position zum israelischen Staat müsse sich daran messen lassen: „Ob die Verwundbarkeit Israels und die Gefahr, der es ausgesetzt ist, berücksichtigt wird oder nicht“ (S. 222). Derartige Ausführungen machen das veraltete Buch auch für die heutige Gegenwart interessant.
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