sans phrase,15 Heft, Herbst 2019
Annonce | sans phrase,15 Heft, Herbst 2019
Israel-Boykotteure in der Sackgasse
Wie Matthias
Becker in seiner Analyse anti-israelischer Projektionen unter der Leserschaft
der deutschen Zeit und des britischen Guardian zeigt, verbinden sich in dem
linken Milieu des Königreichs, aus dem sich auch die BDS-Aktivisten
rekrutieren, eine distanziert-kritische Haltung zu wesentlichen Aspekten
britischer Vergangenheit und das Bedürfnis, sich von der Last dieser
Vergangenheit zu befreien, mit einer ausgeprägt antiisraelischen Haltung. Der
jüdische Staat erscheint dergestalt als aktualisierte Fortsetzung der
verachteten Aspekte britischer Kolonialgeschichte. „Durch die dämonisierende
Behauptung, Israel betreibe eine solche Form der Herrschaftsausübung im 21.
Jahrhundert [wie ehemals das britische Empire, Anm. F. M.], werden
Kolonialverbrechen in der britischen Vergangenheit relativiert und die
britische Wir-Gruppe entlastet.“ Das Ergebnis dieser ideologischen Gemengelage
ist eine besondere Ausprägung von Entlastungsantisemitismus, die eine ähnliche
Funktion erfüllt wie Gleichsetzungen Israels mit dem Nationalsozialismus in
Deutschland oder Österreich.
Kann Ilhan Omar ihre Vorurteile überwinden?
Ich habe einmal
eine Rede damit begonnen, dass ich meinen jüdischen Zuhörern gestand, dass ich
sie einst gehasst hatte. Das war 2006. Ich war eine junge Frau, die aus Somalia
stammte und gerade ins holländische Parlament gewählt worden war. Das American
Jewish Committee (AJC) verlieh mir seinen Moral Courage Award. Für mich war
dies eine große Ehre, und ich wäre mir unehrlich vorgekommen, wenn ich meinen
früheren Antisemitismus nicht eingestanden hätte. Also erzählte ich ihnen, wie
ich dazu erzogen wurde, die Juden für alles verantwortlich zu machen.
Triebstruktur und Ehrbegriff. Elemente der autoritären Persönlichkeit im Islam
Die Position,
die diese selbsternannten Antirassisten im Streit um das Kopftuch einnehmen,
ist aus diesem Grund besonders zynisch: Wird das blaming the victim zu
Recht kritisiert, wenn es um Vergewaltigungen und sexuelle Belästigung durch
den ‚weißen Mann‘ geht, so wird im Falle der Verhüllung bei Musliminnen
dasselbe Prinzip kritiklos als Ausdruck einer beschützenswerten Kultur
entschuldigt und schlimmstenfalls zum subversiven Protestakt verklärt. Der
paternalistisch-wohlwollende Gestus verrät bereits den antirassistischen
Rassismus, der implizit den Frauen, die aus muslimischen Kulturen kommen, ihr
Recht auf Schutz vor sexueller Gewalt durch die Gesellschaft abspricht.
Derartigen Pseudofeministinnen fällt es dabei nicht einmal auf, dass sie die
Verantwortung für den eigenen Opferstatus denjenigen Frauen zuweisen, die sich
weigern, ein Exemplar im Kulturzoo des Westens zu bleiben. Anstatt – wie sie es
bei jeder ‚westlichen‘ Person tun würden – einzufordern, dass der Mann sich
zusammenzureißen oder mit Strafe zu rechnen habe, wenn er sich dazu nicht in
der Lage sieht, wird hier das ‚Selbst-schuld‘-Konzept bereitwillig übernommen,
um jene Frauen zu schützen, die es vertreten. Verleugnet wird deren
Selbstunterdrückung in einem Akt der Identifikation mit dem Aggressor ebenso
wie die Tatsache, dass sie ihrerseits Gewalt gegen jene Frauen ausüben, die
sich diesem patriarchalen Prinzip nicht fügen wollen und die sie deswegen als
‚legitime‘ Opfer ihrer Kultur zum Fraß vorwerfen.
Notizen zu einem Mord in Sachsen. Wiederkehr einer Tat und verständnisinnige Rechtsprechung
Obwohl also die
sächsische Polizei den Mord nachträglich doch nicht anders einstufen konnte
denn als das, was er offensichtlich war, sah die Schwurgerichtskammer am
Landgericht davon bei der Verurteilung und dem Strafmaß ab. Die Vorsitzende
Richterin Simone Herberger verurteilte die drei Täter wegen Totschlag, Hiller
erhielt als Haupttäter eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren. Hanisch und
Hentschel wurden zu jeweils elf Jahren Haft verurteilt. Zwar sprach selbst die Vorsitzende Richterin in ihrer Urteilsbegründung davon, in welch
menschenverachtender Weise das Opfer getötet wurde und dass die Gruppe bei
ihrer Tat hemmungslos vorgegangen sei. Die Heimtücke der Tat, die die
Staatsanwaltschaft zumindest dem Hauptangeklagten vorwarf, spielte beim
Strafmaß jedoch keine Rolle. Gleichfalls berücksichtigte das Gericht die
manifeste Homophobie als niederen Beweggrund für den Mord überhaupt nicht,
sodass juristisch Totschlag daraus wurde. Dem ergangenen Urteil pflichtete gar
die Staatsanwaltschaft bei, obwohl diese für den Rädelsführer Hiller eine
Verurteilung wegen Mordes gefordert hatte: „Zwar sei rechtsextremes Gedankengut
bei den Männern vorhanden, sagte Staatsanwalt Butzkies nach der Urteilsverkündung.
Die Tat sei aber davon zu unterscheiden: Nicht jeder, der rechts ist, werde im
Zuge einer Straftat von dieser Einstellung getrieben.“
Flaschenpost von „Teddy“: Adorno als Objekt der Kulturindustrie
Solange das
Zusammenspiel von Weltmarkt und Finanzmärkten die Erfüllung der „Sehnsucht nach
Autarkie“ und des mit ihr verbundenen Vernichtungswahns noch nicht greifbar
erscheinen lässt, bleibt dem Rechtsradikalismus also außenpolitisch offenkundig
auch unter veränderten Rahmenbedingungen weiterhin wenig Spielraum, um sich
markant von der deutschen Regierungspolitik zu unterscheiden. So verlegt man
sich auch auf diesem Terrain auf den begleitenden Kulturkampf. Wo sich das
Racket der Deutschen nicht zum alles beherrschenden Racket erheben kann, soll
vorweg die Welt der Herrschaft der Rackets unterworfen werden. Nicht nur bei
der AfD mit ihrem außenpolitischen Grundprinzip der Nichteinmischung findet
sich Zustimmung für das regierungsoffiziell immer wieder gern auch als
außenpolitische Zurückhaltung und ‚Besonnenheit‘ verkaufte
Provinzialisierungsprojekt zur kultursensiblen Schaffung möglichst vieler vom
US-Hegemon befreiten Zonen. … Die heutige außenpolitische Praxis Deutschlands
und die von Adorno damals analysierte „angedrehte Provinzialisierung“ der Neuen
Rechten sind aus mancherlei Perspektive also gar nicht so weit voneinander
entfernt, wie man es sich unter Verweis auf die wehrhafte Demokratie und ihre
Institutionen einreden will. Aktuell ist Adorno eben auch dort, wo man es gar
nicht gerne sieht.
„… eine spannende ethische Diskussion, die die Welt noch sehr beschäftigen wird“. Der Aufbau des chinesischen Sozialkreditsystems und die Proteste in Hongkong
Die Lehre der Volksrepublik besteht nun darin, dass die Partei selbst zur treibenden Kraft werden muss, die Zirkulationszeit gen Null zu reduzieren, und alles immer in Hinblick darauf kontrolliert, ob es zugleich dazu dient, diese Verkürzung im Ganzen zu gewährleisten. Der Warentausch soll hier immer zugleich der Weg der staatlichen Kontrolle werden, innerhalb und außerhalb des Staats: Außerhalb lässt sich das daran studieren, wie die Kreditverträge aussehen, die man seit längerem schon entlang der „neuen Seidenstraße“ anbietet und mit der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) propagiert; innerhalb zeigt es sich an der Entwicklung des sogenannten Bonitätssystems, das wohl nicht zufällig unter der Ägide der Zentralbank und in engster Kooperation mit Digitalunternehmen wie der Alibaba Group ausgearbeitet wird. Das Geld ‚verschwindet‘ zwar ebenso wie in den westlichen Gesellschaften in immer größerem Tempo in der Zirkulation und auch die chinesische Zentralbank musste in letzter Zeit den Leitzins senken und die Geldpolitik lockern, aber der Staat, der es garantiert, gewinnt im selben Maß neue, unmittelbare Macht über fremde Territorien und eigene Untertanen.
Wie man sich zurückhält. Ankündigung der „letzten Kämpfe“ Israels in der Jungen Welt
Um die aktuelle
– wie auch alle bisherige – US-Politik anzuprangern, zitiert
Mellenthin rückblickend aus den Ausführungen des US-amerikanischen
Außenministers Pompeo bei der Heritage Foundation vom Mai 2018: „Nach dem Deal:
Eine neue Iran-Strategie“ und verschweigt auch nicht eine entscheidende Passage
aus dem letzten Punkt des Forderungskatalogs dieser Strategie: Hier fordert
Pompeo nämlich, dass Iran „sein bedrohliches Verhalten gegenüber seinen
Nachbarn beenden“ müsse und konkretisiert an vorderster Stelle, dass dies „mit
Bestimmtheit seine Vernichtungsdrohungen gegen Israel“ einschließe. Unmittelbar
an diesen letzten Punkt anknüpfend heißt es im Junge Welt-Artikel: „Mit
der auch nur partiellen Erfüllung all dieser Forderungen müsste Iran sich der
spezifischen, extrem parteiischen Sichtweise der US-Regierung auf die Region
des Nahen und Mittleren Ostens unterwerfen.“ Mellenthin dürfte eine Ahnung
davon haben, was dieses Regime im Innersten zusammenhält, denn er fügt noch
hinzu: „Ein solches Programm wäre allein mit den Mitteln einer strengen
Wirtschaftsblockade nicht durchzusetzen. Es könnte allenfalls einer militärisch
geschlagenen Nation diktiert werden.“ (Junge Welt, 2.8.2019) Der innere
Zusammenhalt, auch wenn er die Vernichtung Israels betrifft, wäre gegenüber der
Unterwerfung unter den US-Hegemon in jedem Fall zu verteidigen.
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